Ein genauer Blick ist für eine Lektorin unerlässlich. Fehlt ein Punkt, Komma oder Strich, kann dadurch die Aussage eines Satzes komplett verändert werden. Dabei kommen oft lustige Sachen heraus, über die aber nur ich im Lektoratsstübchen schmunzeln sollte – ansonsten wird es oft unfreiwillig peinlich…
Sehr häufig korrigiere ich Fehler in der Kommasetzung. Kommas sind zwar klein, aber sie sind keine Nebensächlichkeiten! Sie gliedern den Sprechrhythmus und grammatische Konstruktionen und können den Inhalt eines Satzes völlig verändern.
Vor allem im Zeitalter der Textnachrichten und des hastigen E-Mail-Schreibens werden Kommas oft weggelassen, weil man meint, sie wären nicht zwingend nötig – die Rechtschreibreform mit ihren vielen Kann-Regeln bei der Kommasetzung hat hier viele Menschen stark verunsichert.
Durch falsch gesetzte, weggelassene oder auch zu großzügig verteilte Kommas entsteht aber manchmal der sogenannte „Holzwegeffekt“: Aus unterschiedlichen Kommasetzungen entstehen unterschiedliche Betonungen. Das kann vor allem in der gesprochenen Sprache Sätze mit sehr unterschiedlicher Bedeutung verursachen.
Komm wir essen Opa – Holzwegeffekt dank Kommas
Hier sind einige Beispiele für krass veränderte Aussagen, die nur durch eine andere Kommasetzung entstanden sind:
Herr Müller, mein Mann, und ich gingen spazieren.
Herr Müller, mein Mann und ich gingen spazieren.
-> Wer ist nun Herr Müller? Ist er mein Mann? Oder war da noch eine dritte Person mit?
Das Kind, sagte der Vater, kann nicht klettern.
Das Kind sagte, der Vater kann nicht klettern.
-> Wer kann denn nun nicht klettern?
Ich empfehle, ihr zu folgen.
Ich empfehle ihr (,) zu folgen.
-> Was wird hier genau empfohlen und wem?
(Damit das klar wird, sollte in diesem Fall das freiwillige Komma vor dem einfachen Infinitiv mit „zu“ gesetzt werden, auch wenn das nicht zwingend notwendig ist.)
Komm, wir essen, Opa!
Komm, wir essen Opa!
-> In diesem Fall retten Kommas Leben!
Überlegen Sie also genau, ob Sie auf die Arbeit einer Lektorin wirklich verzichten wollen…